Einfhrung in das rmische Privatrecht by Christian Reiter;

Einfhrung in das rmische Privatrecht by Christian Reiter;

Autor:Christian Reiter;
Format: epub
ISBN: 9783838557007
Herausgeber: UTB GmbH
veröffentlicht: 2021-08-15T00:00:00+00:00


Hier wird nun die sog. custodia-Haftung des Verkäufers relevant. Wer eine fremde Sache bei sich hat, muss sie bewachen (lat. custodia). Wird sie gestohlen, haftet derjenige, der sie hatte, auf Schadensersatz. Das ist der Grundgedanke der custodia-Haftung. Sie trifft den Schuldner in bestimmten Fällen, in denen er Sachen des Gläubigers in seinem Gewahrsam hat, die später herauszugeben sind (z. B. Entleiher, Werkunternehmer und Mieter). Diese hat er sorgsam zu bewachen und haftet für Schäden, die typischerweise (wenn vielleicht auch nicht im konkreten Fall) aus unzureichender Bewachung entstehen, wie Diebstahl oder Sachbeschädigung durch Dritte („niederer Zufall“), nicht aber für höhere Gewalt (oder „höheren Zufall“) wie Naturkatastrophen, Krieg, natürlicher Tod: Diese Fälle gehen weiterhin zulasten des Käufers (vgl. Abwandlung 1). Zwar steht die Kaufsache bis zur Übergabe an den Käufer noch im Eigentum des Verkäufers, wirtschaftlich wird sie aber wie gesehen schon dem Vermögen des Käufers zugerechnet. Das rechtfertigt es, den Verkäufer demjenigen gleichzustellen, der eine fremde Sache bei sich und diese herauszugeben hat74, und ihn damit der custodia-Haftung zu unterwerfen. Aulus muss daher dem Numerius Schadensersatz (das Interesse) leisten, Numerius bleibt dann natürlich zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet75 (zum Umfang sogleich). Schadensersatz- und Kaufpreisanspruch können auch gegeneinander aufgerechnet werden mit dem Ergebnis, dass Numerius, wenn der Wert der Kuh exakt dem Kaufpreis entsprach, hier am Ende einfach den Kaufpreis nicht mehr bezahlen muss. Des Weiteren bleibt die bei einem unbekannten Dieb aber eher theoretische Möglichkeit des Käufers, sich die Herausgabeklagen des Verkäufers gegen den Dieb abtreten, d. h. vom Verkäufer zur Geltendmachung dieser Klagen ermächtigen zu lassen76.

Die Gefahrtragungsregel, die durch Justinian, der die custodia-Haftung durch eine Verschuldenshaftung des Verkäufers ersetzt, zulasten des Käufers sogar noch ausgeweitet wird, ist wie gesehen nicht ins BGB übernommen worden, das den Gefahrübergang erst mit Sachübergabe eintreten lässt; nur beim Erbschaftskauf ist die Rechtslage wie im römischen Recht, § 2380 BGB, denn Gegenstand des Erbschaftskaufes sind keine bestimmten Einzelsachen, sondern der Inbegriff der Erbschaft. Das schweizerische Obligationenrecht (OR) dagegen folgt in Art. 185 dem römischen Recht in der Gefahrtragung beim Stückkauf:

Art. 185 OR. B. Nutzen und Gefahr

(1) Sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen, gehen Nutzen und Gefahr der Sache mit dem Abschlusse des Vertrages auf den Erwerber über.

Allerdings wird die Vorschrift von der Rechtsprechung restriktiv bzw. die Ausnahme weit ausgelegt77, die Gefahrverteilung gilt in der Rechtspraxis häufig als stillschweigend abbedungen. Die gleiche Gefahrtragungsregel wie im römischen Recht findet sich im französischen Code civil (Art. 1138, 1583, 1624) und im italienischen Codice civile (Art. 1465). Allerdings geht dort auch das Eigentum beim Stückkauf mit Kaufvertragsabschluss über78 (anders als im deutschen und auch im römischen Recht), so dass es am Ende nichts anderes ist als Ausdruck der Regel res perit domino – „der Eigentümer trägt die Sachgefahr“, d. h. das Risiko des zufälligen Untergangs einer ihm (bereits) gehörenden Sache.

Nach geltendem Recht ergibt sich für den Grundfall sowie für Abwandlungen 1 und 2 folgende Lösung: Aulus muss nach § 275 I BGB die Kuh nicht leisten. Numerius ist nach § 326 I 1 BGB von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit.



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